Startseite » Die Tram und Edinburgh, keine Liebe auf den ersten Blick…
Edinburgh und die Tram, das ist so eine Geschichte. Geschichte im wahren Sinn des Wortes: es gab früher eine Tram in der Stadt, welche man aber stilllegte. Der Individualverkehr nahm zu, den ÖPNV erledigte man mit Bussen. Aber irgendwann erkannte man auch, dass genau das zu einem zuverlässigen Verkehrschaos in der City führte.
Daher plante man eine neue Tram, zunächst ging es um die Fahrstrecke vom Flughafen in die City. Das erste Kapitel war eine Story mit vielen Pannen, extremen Zeitverzögerungen und natürlich den gewohnten Kostensteigerungen.
Nun ging es an die Verlängerung vom York Place in der Innenstadt über Leith bis zum geplanten Endhaltepunkt in Newhaven. Die neue Route wird ca. 4,7km lang sein, über 8 Haltestellen verfügen und über das Ocean Terminal Centre bis Newhaven laufen. Fertig sein soll die Erweiterung 2023. Als geplante Kosten für die Erweiterung stehen über 200 Mio. Pfund im Raum. Dazu muss man auch sagen, dass die Edinburgh Tram bislang scheinbar ein erhebliches Zuzahlungsgeschäft ist - 2019 und 2020 betrugen die Verluste nach Steuern jeweils fast 9 Mio. Pfund im Jahr.
Kaum verwunderlich, dass es Proteste hagelt. Bei Facebook gib es eine gut frequentierte Protestgruppe mit dem Namen Stop The Edinburgh Tram Extension. Die Gruppe erhält natürlich immer wieder neues Futter, zuletzt etwa wegen der schlechten Betriebsergebnisse und aktuell durch einen Beitrag im Scotsman vom 10.07.2021.
Eine Familie schrieb dem Scotsman, dass sie es nicht mehr aushalten konnte und Leith für eine Weile Richtung England verließ. Gerade als sie zurückkommen wollten, wurden die Bauzeiten auf täglich bis zu 14 Stunden (von 06.00 bis 20.00 Uhr) erweitert. Die Familie beklagte sich sehr, dass man von Seiten der Stadt überhaupt nicht mehr informiert würde und das Leben in Leith mittlerweile kaum noch auszuhalten wäre. Die Stadtregierung wiederum erklärte, dass man die Anwohner stets umfassend informiert. Die Ausweitung der Arbeitszeiten sei wegen der vielen Coronabedingten Stillstände schlicht und einfach nötig, damit der Zeitplan eingehalten werden kann.
Auch andere Anwohner sind da gem. Zeitungsbericht scheinbar anderer Meinung und fragen sich z. B., warum man nicht einfach mehr Arbeiter einsetzt, anstatt die wenigen Arbeiter länger arbeiten zu lassen. Und ein namentlich vom Scotsman genannter Anwohner sprach sogar von kriegsähnlichen Zuständen, er habe deswegen nach eigenen Angaben mindestens 100 oder gar 200 Beschwerden bei der Stadt eingereicht. Antwort darauf hätte er jedoch nie bekommen. Er habe das Gefühl, man wolle die Anwohner aus Leith in die Knie zwingen und sie zur Aufgabe ihrer Wohnungen zwingen.
Ob es tatsächlich so ist oder nicht, wer weiß. Aber es dürfte einmal mehr Wasser auf die Mühlen der Kritiker der Erweiterung sein. Ob die Tram jemals everybody's darling in Edinburgh sein wird, darf man bezweifeln. Es hat den Anschein, als wäre die Tram in Edinburgh das, was S21 für die Leute in Stuttgart ist. Aber gebaut wird am Ende doch.